Die internationalen Finanz- und Kapitalmärkte reagierten am Montag seltsam zurückhaltend auf Donald Trumps jüngste Ankündigung, die Zölle auf EU-Importe auf 30 Prozent zu erhöhen. Immerhin scheinen die neuen US-Zollbriefe eine nicht weniger grosse Bedrohung für die Weltwirtschaft zu bedeuten als der erste US-Zollschock vom 2. April.
Damals zeigten die Märkte eine sofortige Reaktion, deren Schärfe nach den gängigen ökonomischen Erklärungsmustern logisch und leicht nachvollziehbar erschien. Die Kurse von Aktien und anderen Risikopapieren brachen ein, weil hohe Zölle und die Aussicht auf Gegenzölle die Preise von Gütern verteuern, die Nachfrage dämpfen und so das Wirtschaftswachstum bremsen oder gar ins Gegenteil verkehren können.
Nun scheinen die Marktteilnehmer davon auszugehen, dass Trump blufft, um einen guten Deal für sein Land herauszuholen. Alles nur halb so schlimm? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sicher ist nur dies: Die Preissignale, welche die Märkte aussenden, werden immer kryptischer und spekulativer, und sie sind mit ökonomischer Logik, geschweige denn mit der rationalen Erfahrung aus früheren Zeiten, kaum mehr zu erklären.
So entsprach nach dem ersten Zollschock vom 2. April nur die unmittelbar negative Reaktion der Aktienmärkte dem bekannten ökonomischen Muster. Anderweitig ging es sehr ungewohnt zu und her: So ereignete sich in jenen Tagen ein veritabler Einbruch der Nachfrage nach amerikanischen Schatzanleihen, was zum Wertverlust dieser Papiere und damit automatisch zum Anstieg ihrer Renditen führte. Im Sog der USA stiegen auch die Renditen von Staatsanleihen anderer Länder kräftig an.
Typischerweise reagieren die Investoren in Stresszeiten aber genau umgekehrt: Sie kaufen US-Schatzanleihen, weil diese in Phasen erhöhter Unsicherheit als relativ sichere Anlage gelten. Deren Renditen sinken. Auch der Dollar wertet sich in solchen Momenten erfahrungsgemäss markant auf. Stattdessen hat sich die Abwertung des Dollar zu anderen Währungen nach dem «Liberation Day» stark beschleunigt.
Die Bank of England spricht in ihrem aktuellen Bericht zur Finanzstabilität von «Verschiebungen historischer Korrelationen». Sie meint damit die vorgängig beschriebene Auflösung wechselseitiger Beziehungen zwischen den Preisen börsengehandelter Vermögenswerte, die über viele Jahre hinweg beständig einem Muster folgten. Die Episode nach dem Zollschock vom 2. April werfe ein Schlaglicht auf die globale Vernetzung der Finanzmärkte, an denen sich Stresssituationen von einem Ort schnell auf andere Orte übertragen könnten, schreibt die Bank of England.
Inzwischen sind die Aktienmärkte auf die Niveaus vor dem ersten Zollhammer zurückgekehrt. Und dort sind sie auch nach dem jüngsten bedrohlichen US-Zollbrief an die EU geblieben. Auch die Obligationenmärkte haben sich nach dem Schock wieder auf etwas tieferen Renditeniveaus eingependelt. Donald Trump verursache ein «Chaos» und dieses führe zu einer «seltsamen, fast schon gespenstischen Situation, in der alles im Gleichgewicht bleibt», konstatierte Jeffrey Sherman, ein erfahrener amerikanischer Portfoliomanager und Spezialist für Anleihenmärkte, in der vergangenen Woche im Interview mit der NZZ-Online-Publikation «The Market».
Wie lange dieses Gleichgewicht bestehen bleibt, weiss er genauso wenig wie alle anderen. Die Bank of England schreibt, die Märkte für Aktien und andere Risikoaktiva seien «weiterhin anfällig für eine scharfe Korrektur». Eine solche könne sich auch ungünstig auf die Kreditfinanzierung von Unternehmen und Haushalten übertragen.
Brian Mandt, Chefökonom der Luzerner Kantonalbank, sieht das Hauptrisiko für die Wirtschaft und die Finanzmärkte aber weniger bei den Zöllen als bei der Verschuldung. Das Problem werde seit Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus auch an den Märkten zunehmend ernst genommen. Der Kontrast zum Sommer 2024 ist gross.
Damals hörte kaum jemand hin, als EZB-Chefin Christine Lagarde auf einem Notenbankentreffen in Portugal die nach der Regierungsmacht greifenden Rechtspopulisten in Frankreich und anderswo warnte, die fiskalischen Regeln der EU zu respektieren und die Haushalte so zu führen, dass die Verschuldung unter Kontrolle bleibe. US-Notenbankchef Jerome Powell sagte an derselben Veranstaltung über sein eigenes Land: «Das aktuelle Verschuldungsniveau ist nicht untragbar, aber der Weg, auf dem wir uns befinden, ist es. Das ist absolut unbestritten.»
«Der Zug fährt vorwärts. Allein darauf fokussieren im Moment die Märkte», fasste Brian Mandt damals die Stimmung im Gespräch mit CH Media zusammen. Doch inzwischen wird immer deutlicher: Der Zug rollt nicht, wie er sollte. Die Gefahr ist virulent, dass sich das Wirtschaftswachstum in den USA deutlich stärker verlangsamen wird, als es die meisten Ökonomen ohnehin schon erwarten. Auch in Europa besteht ein Risiko für negative Überraschungen – auf tiefem Niveau, notabene.
Hohe und steigende Schulden bei weniger oder gar keinem Wachstum und einer zu hohen Inflation, das ist eine toxische Kombination. Sie könnte zum Auslöser jener scharfen Korrektur werden, vor der die Bank of England warnt. Ist der giftige Cocktail bereits angerührt?
Brian Mandt und seine Berufskollegen stochern in dichtem Nebel. Die Daten zum Wirtschaftswachstum in den ersten Monaten des Jahres sind unzuverlässig. Sie sind verzerrt durch ausserordentliche Handelsbewegungen im Zusammenhang mit Trumps Zollankündigungen.
«Vieles passt nicht zusammen, und wir Ökonomen können es uns kaum erklären», sagt Mandt. «Die Fehleranfälligkeit von Prognosen ist gerade besonders hoch.» Eigentlich müsste die Unsicherheit die Investoren zu Zurückhaltung bewegen. Doch der Sentiment-Indikator von CNN, der misst, ob sich die Anleger mehr von Angst oder von Gier leiten lassen, zeigt überdeutlich auf Gier (siehe Grafik).
Die Investoren erwarten die in diesen Tagen in den USA beginnende Berichtssaison. Offensichtlich setzen viele darauf, dass die Unternehmen allen Unkenrufen zum Trotz mit guten Gewinnzahlen zum Halbjahr überraschen. Aber was passiert, wenn es anders kommt?
Jedes Mal, wenn ein Schreckmoment die Märkte kurz innehalten lässt, macht sich die Schuldenuhr bemerkbar. Die Blicke richten sich auf Donald Trump in der leisen Hoffnung, dass er deren bedrohliches Ticken abermals mit einer lauten Ankündigung übertönen kann.
Im Finden solcher Gelegenheiten ist Trump kreativ. Ein wichtiger Anlass könnte die Nachfolge von Notenbankchef Jerome Powell werden, die Trump bis Mai 2026 geregelt haben muss. Brian Mandt wittert ein Risiko: «Sollte der Präsident einen Adlatus und Jasager an Powells Stelle setzen, könnte es zu einer Rebellion der Märkte kommen», befürchtet er. Denn zwischen den Interessen Trumps und den Interessen der Kapitalmarktanleger gibt es einen Konflikt.
Hohe Schulden und hohe Zinsen, das entspricht natürlich nicht dem Geschmack der Regierung in Washington. Aber ebenso wenig gefällt den Anlegern die Kombination von tiefen Zinsen und hoher Inflation. Der finale Machtkampf zwischen Politik und Märkten scheint unvermeidlich näher zu kommen. Aus Investorensicht ist es kurzfristig schwierig zu entscheiden, welcher Seite man den Sieg eher wünscht. Hässlich wird ein solcher Kampf für die Anleger aber in jedem Fall werden. (aargauerzeitung.ch)
Die einzige Hoffnung für die UA in diesem Krieg ist,dass DT sich bald mit seiner Zollpolitik so verrannt hat,dass die USA in ernste pol. Schwierigkeiten kommen.Europa muss sich nicht erpressen lassen wg. der Sicherheitspolitik.Sie sollten DT wirtschaftl. die Daumenschrauben anlegen+sofort